Oma, wie war Steyr früher?

Meine Oma (geb. 1941) wohnte in Ternberg. In ihrer Jugend und als junge Erwachsene verbrachte sie viel Zeit in Steyr. Sie fuhr täglich mit dem Zug nach Steyr und ging vom Bahnhof zu Fuß weiter. Einige ihrer Erinnerungen zeigen die Arbeitsverhältnisse und die Lebensumstände in der Stadt und ihrer Umgebung.  

Wehrgraben

Meine Oma besuchte von 1955-1958 in Steyr die Handelsschule, die damals im Wehrgraben angesiedelt war. Die Schulzeit war für sie nicht immer leicht, vor allem weil sie lieber einen anderen Beruf ausgeübt hätte, anstatt diese Ausbildung zu machen.  
Eine der schönen Erinnerungen aus ihrer Schulzeit ist die folgende:  
„Mein Onkel arbeitete im Wehrgraben in einer Schleiffabrik. Manchmal traf ich mich in meiner Mittagspause mit ihm. Er brachte dann meistens etwas Gutes vom Bäcker mit, ein Kipferl zum Beispiel. Damals war das was Besonderes und ich freute mich immer sehr. Er musste mir oft zurufen, wenn er aus der Fabrik kam. Er war so voller Schmutz und ganz schwarz im Gesicht, ich hätte ihn nicht erkannt.“ 

Steyrdorf

Rund um den Roten Brunnen gab es einige Lokale und kleinere Geschäfte. Essen gehen oder Shoppen wie wir es heute gerne machen, war damals unvorstellbar.  
Meine Oma erinnert sich: „Beim Roten Brunnen gab es eine Milchbar, das war früher gerade modern. Wenn ich mir Geld vom Arbeiten neben der Schule gespart habe, ging ich ab und zu dort hin. Dann bestellte ich mir etwas ganz Tolles: eine Scheibe Dosenananas mit Schlagobers drauf.

Ennsleite

Die Steyrwerke auf der Ennsleite gaben vielen Menschen Arbeit. Viele Arbeiter wohnten mit ihren Familien auf der Ennsleite und in Münichholz in kleinen Häusern und Wohnungen.  
Nach ihrer Schulzeit arbeitete meine Oma in den Steyrwerken im Büro. Die Großraumbüros waren sehr bescheiden ausgestattet. Jeder hatte einen kleinen Schreibtisch und einen Holzsessel.  
„Am Vormittag waren wir bei unseren Vorgesetzten, die uns ihre Briefe diktierten. Am Nachmittag war ich damit beschäftigt, diese Briefe auf der Schreibmaschine zu abzutippen. Es waren immer alle froh aus den riesigen Räumen wieder rauszukommen, deshalb versammelten sich kurz vor Arbeitsschluss große Menschentrauben vor den Toren und warteten auf die Sirene, die die Arbeitszeit beendete.“  

Steyr damals