Zwei Tage Kaiserstadt

Wir schreiben den 2. August 1884. Die elektrische Landes- Industrie-, Forst- und kulturistorische Ausstellung in Steyr wird eröffnet. Bis 30. September wird sie dauern. Es werden Menschen herbeiströmen, um das Spektakel zu erleben. Auch der Kaiser stattet der Eisenstadt einen Besuch ab, Steyr wird eine Nacht lang Kaiserstadt.

Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser

Am Anfang war Finsternis – und Josef Werndl. Der personifizierte Wohlstand Steyrs war auf der Suche nach Innovation. Die Waffenindustrie, die Werndl reich machte, brachte ihre Schwankungen in der Nachfrage mit sich und so wurden stabilere Zukunftsprojekte gesichtet. Die Elektrotechnik faszinierte den Unternehmer.

Szenenwechsel: Wir befinden uns in Wien, es ist 1883. Die Internationale Elektrische Ausstellung wird in der Machtzentrale des Reichs ausgetragen. Und da ist sie, die Inspiration, die Werndl sucht. Die Mission lautet: Man bringe die Ausstellung nach Steyr. Zuständig für die Umsetzung war neben einem Ausstellungskomittee auch Werndls Waffenfabrik.

Es werde Licht! und es ward Licht.

Schon wird akribisch gearbeitet. Wasserkraft soll elektrischen Strom produzieren und dann Maschinen antreiben. Also wurde das erste Wasserkraftwerk der Welt gebaut. Und plötzlich erleuchtete die Arbeiterstadt: Vom Ausstellungsgebäude hin zu einzelnen Stadtteilen. Der Stadtplatz, der vom Wohlstand der Stadt gezeichnet ist, die Ennsbrücke, die das so bedeutsame Wasser überquert und die Schwimmschule, die den Arbeiter:innen der Stadt Erholung bieten soll, sie alle erstrahlten.

Eine Stadt im Aufbruch

Die Moderne hielt Einzug in die Epoche des Neoabsolutismus. Die ganze Stadt wurde belebt: Von Tanzvorführungen, über Konzerte, Turn-Feste und Zirkusvorstellungen. 200.000 Bürger:innen ließen sich die Festlichkeiten des Rahmenprogramms nicht entgehen. Sie wollten Teil haben an der Modernisierung und Industrialisierung. Ein eigenes Ausstellungsareal wurde errichtet, das Volksfest konnte beginnen.

Besuch von ganz oben

Es ist der 6. August 1884. Die Ausstellung wurde erst vor 4 Tagen veröffentlicht. Dennoch haben Nachrichten und Geschichten die Runde gemacht. Um über die Ausstellung zu informieren setzte das Kommitee eine eigene Zeitung in die Welt, die Steyrer-Ausstellung-Zeitung.  Der Bürgermeister Georg Pointner verkündet besonderes: Kaiser Franz Josef will sich ein Bild von der alten Stadt und ihren neuen Technologien machen.

Am 19. August wird es dann so weit sein. Steyr wird für eine Nacht Kaiserstadt.

Schon seit vielen Jahren hat mich keine Ausstellung so sehr interessiert, als wie die Steyrer Ausstellung.

Wenn sich Arbeit, Wohlstand und Macht Gute Nacht sagen

Kaiser Franz Joseph kommt also nach Steyr, seine Nacht verbringt er standesemäß im Schloss. Die Lambergs machen sich bereit. Der Kaiser hält Audienz in ihren Räumlichkeiten und will am Abend verpflegt werden. Beim Abendessen kommt Josef Werndl die Ehre zu, neben der Hoheit Platz zu nehmen.

Um die Zeit zwischen Audienz und Abendmahl zu füllen, begibt sich der Kaiser zu der Ausstellung. Die Stadt hat dieser Tage viel zu bieten, die Telefonie und Telegrafie waren Highlights, die die Besucher:innen begeisterten. Diese Innovation in der Kommunikation sollte es ermöglichen, dass es irgendwann kein exklusives Abendmahl oder extravagente Attraktionen mehr braucht, um Wohlstand, Macht und Arbeit zusammenzubringen.

Weggewaschen

137 Jahre später. Steyrs Straßen sind immer noch hell erleuchtet, die Telefone haben eine wichtige Bedeutung. Josef Werndl hat es geschafft: Durch die Ausstellung konnten Arbeiter:innen, Bürgerliche und der Adel zusammenkommen. Die Moderne faszinierte und zog an. Eine neue Arbeitswelt und Gesellschaftsordnung entwicklete sich im ausgehenden 19. Jahrhundert, die Spuren davon zeichnen Steyr. Bis heute.